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Hafenstädte in Lykien

Um einen Akkulturationsprozess überhaupt erkennen und in einem zweiten Schritt sogar beschreiben zu können, muß man die verschiedenen Kulturen als Identitätsgruppen klar eingrenzen und voneinander trennen können. In der kleinasiatischen Landschaft Lykien sind anscheinend gute Voraussetzungen zur Beschreibung von Akkulturation gegeben, da mit der epichorisch lykischen eine einigermaßen klar faßbare Kultur begegnet. In Grabarchitektur, Sprache und politischer Ordnung zeigt die Region zwischen dem antiken Telmessos und dem Kap Gelidonya schon in archaischer Zeit spezifische Konturen. Will man diese jedoch deutlich zeichnen, ergeben sich verschiedene Schwierigkeiten.

Einzelheiten der lykischen Kultur, insbesondere der politischen Verfassung, liegen bis auf die in Umrissen erkennbare Herrschaft von Dynasten im Dunkeln. Die kunsthistorisch aussagekräftigen archäologischen Hinterlassenschaften, anhand derer genuin Lykisches beschrieben werden könnte, stammen aus dem 5. und 4. Jh. v.Chr. und damit aus einer Zeit, in der griechische und persische Einflüsse dominieren. Der Akkulturationsprozeß ist also in dem Zeitraum, aus dem die auskunftsfreudigsten Monumente stammen, bereits erheblich fortgeschritten, und es läßt sich sogar vermuten, daß die Zunahme lykischer Felsfassadengräber, also das gehäufte Auftreten einer genuin lykischen Architektur mit eben diesem Prozeß zusammenhängt. Die Ethnogenese wie die Artikulation einer Identität im Monument erscheint als Ergebnis eines Akkulturationsprozesses.

Für die Erforschung dieser Prozesse spielen Hafenorte eine besondere Rolle. Es ist zwar geradezu ein Charakteristikum lykischer Siedlungen der archaisch-klassischen Zeit, daß sie mit ganz wenigen Ausnahmen auf schwer zugänglichen, demnach fortifikatorisch günstigen Bergkuppen errichtet wurden. Vom späten 5. Jh. an läßt sich aber in verschiedenen Orten eine Verschiebung des Siedlungsschwerpunktes an das Meer beobachten. So wird beispielsweise beim heutigen Fethiye eine Bergsiedlung verlassen und der zugehörige Küstenort, die griechische Polis Telmessos, neues Siedlungszentrum. Ähnliche Entwicklung zeigen sich im Fall von Phellos und Antiphellos sowie von Apollonia und Aperlai in Zentrallykien. Während die Binnenorte stagnieren, erfahren die Häfen einen in öffentlichen Bauten erkennbaren Entwicklungssprung. Sie werden eigenständige Poleis, die im Siedlungsbild nun deutlich hellenisierter erscheinten als die älteren Bergsiedlungen im Hinterland.

Hierzu paßt es, daß die antike Überlieferung Häfen topisch eine Vorreiterrolle in Akkulturationsprozessen zuschreibt und sie regelmäßig als fortschrittlichsten Siedlungstypus beschreibt. Hier sei kultureller Einfluß zum einen in seinen negativen Ausprägungen, nämlich als Gefährdung des Gemeinwesens durch das Eindringen fremder Kulturmuster feststellbar. Zum anderen aber gelten Hafenorte bzw. die Entstehung von Siedlungen am Meer als Kennzeichen eines gemeingriechischen Zivilisationsprozesses. Erst mit dem Verlassen der sicheren, aber zivilisatorisch rückständigen Bergwelt sei jener Kulturstandard erreicht worden, der die griechische Identität grundlegend präge.

Es ist im Detail unklar, wie die unterstellten Akkulturationsprozesse im einzelnen verliefen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, diese Prozesse besser zu verstehen, indem an ausgewählten Beispielen die Veränderungen auf möglichst vielen Feldern, wie Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur, politischer Verfassung, Architektur usw. nachgezeichnet werden. Für diese Untersuchung wurden zwei Ortspaare (Teimiusa und Tyberissos, Phellos und Antiphellos) ausgewählt, die ein breites Spektrum von Einsichten in die Prozesse erwarten lassen. Es handelt sich um jeweils um die Kombination eines Hafens und eines Binnenortes in extremer, d.h. verkehrsgeographisch wenig vorteilhafter Lage.

Um folgende Kernfragen geht es dabei:

  • Wie entwickelten sich die Häfen unter dem Einfluß zunehmender Kontakte und wie strahlte ihre Entwicklung auf das Hinterland, insbesondere auf einen zugehörigen Bergort und die Kleinregion aus?
  • Wie verliefen hierbei die Akkulturationsprozesse ? Wo zeigen diese ihre nachhaltigste Wirkung?
  • Welche Wirkung hatte die Expansion von Seefahrt, Handel und Hafen auf die Siedlungsstrukturen und wie tiefgreifend war sie ? Wie wurde die verkehrsgünstige Siedlungsalternative 'Hafen' angenommen ? Ist sie grundsätzlich die attraktivere Variante?