Neue archäologische Forschungen in Assur
Geleitet von Prof. Dr. Karen Radner
ASSUR EXCAVATION PROJECT PUBLIKATIONEN
Assur 2023: Excavations and other research in the New Town
Karen Radner & Andrea Squitieri (eds.), Assur 2023: Excavations and Other Research in the New Town. Exploring Assur 1. Gladbeck: PeWe-Verlag, 2024.
ISBN 978-3-935012-66-9
Open Access Version hier zum download.
Zu bestellen beim PeWe-Verlag.
Der Ort der Ausgrabungen von 2023 in der Neustadt von Assur, mit dem weißen Grabungshaus und der Zikkurat des Aššur-Tempels im Hintergrund. Drohnenaufnahme von Jens Rohde.
Im April 2022 bewilligte das irakische State Board of Antiquities and Heritage ein mit Geldern des Leibniz-Preises gefördertes Forschungsprojekt mit dem Titel „Ausgrabungen und geophysikalische Untersuchungen in Assur sowie Restaurierung des Andrae-Hauses“, das von Karen Radner und Prof. Dr. F. Janoscha Kreppner (WWU Münster) gemeinsam geleitet wird. Der Arbeitsplan besteht aus drei Teilen:
- Restaurierung des Grabungshauses von Walter Andrae, das Ende 2016 durch die ISIS-Besetzung und die Eroberung durch irakische Staatstruppen schwer beschädigt wurde;
- Geophysikalische Prospektion von Assur mittels Magnetometer und elektrischer Widerstandstomographie (ERT);
- Archäologische Ausgrabungen mit Schwerpunkt auf der südlichen Ausdehnung der Stadt („Neustadt“).
(1) Restaurierung des von Walter Andrae errichteten Grabungshauses:
Im Rahmen der Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur unter der Leitung von Walter Andrae wurde am 14. August 1903 mit dem Bau des Hauses begonnen, der ein Jahr andauerte. Andrae baute den nördlichen Flügel des Hauses, einschließlich des Großen Saals. Als die deutsche Mission zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 abziehen musste, übernahm die osmanische Polizeibehörde das Gebäude als ihren örtlichen Sitz (qishla). Dieser Nutzung unterlag es bis 1920, als es zum Verwaltungszentrum des Bezirks Sherqat umgewidmet wurde. Nachdem die Bezirksverwaltung 1929 schließlich ins Stadtzentrum verlegt worden war, stand das Andrae-Haus leer und verfiel allmählich, wobei die meisten Decken und Wände einstürzten.
Im Jahr 1978 initiierte das irakische State Board of Antiquities and Heritage (SBAH) ein Projekt zur Wiederaufnahme der Forschungen in Assur. Das Andrae-Haus wurde renoviert und durch den Bau eines Südflügels vergrößert, um als Stützpunkt für alle in Assur tätigen lokalen und ausländischen Missionen dienen zu können. Es wurde ferner als Hauptsitz des Sherqat SBAH-Büros genutzt bis 2008 ein neues Gebäude außerhalb der Stadtmauer und in der Nähe des Eingangs zur archäologischen Stätte errichtet wurde.
Im Jahr 2015 besetzte eine ISIS-Terrorzelle das Andrae-Haus und nutzte es als Militärkaserne, um in der Region Sherqat zu operieren. Als die irakischen Streitkräfte Ende 2016 angriffen, räumten die Terroristen alles Wertvolle aus dem Gebäude, einschließlich aller Möbel, Türen, Fenster, Stromkabel und Wasserleitungen, und beschmierten die Wände mit beleidigenden und obszönen Graffiti. Bei der Rückeroberung des Hauses wurde das Dach des Großen Saals schwer beschädigt und eine der Palmen im Innenhof zerstört
Der Rohbau stand bis September 2022 leer, als die Restaurierung des Andrae-Hauses in enger Zusammenarbeit mit dem Sherqat SBAH-Büro unter der Leitung von Salim Abdallah und mit Hilfe der Restaurierungsexperten Kamal Rasheed Raheem und Akam Omar Ahmed Al-Qaradaghi eingeleitet wurde. Nachdem die Arbeiten im Januar 2023 abgeschlossen waren, diente das Andrae-Haus als Basis für neue LMU-WWU-Ausgrabungen in der ersten Kampagne im Februar und März 2023.
Für die Finanzierung jener Photovoltaikanlage, die seit August 2023 das Grabungshaus mit Solarstrom versorgt, danken wir dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, vertreten durch Herrn Staatsminister Markus Blume, und der Österreichischen Botschaft in Bagdad, vertreten durch deren Geschäftsträger ad interim, Herrn Gesandten Dr. Andrea Nasi, für die ebenso rasche wie tatkräftige Hilfe.
Das Andrae-Haus nach und vor der Renovierung. Fotos von Akam Omar Ahmed Al-Qaradaghi.
(2) Geophysikalische Prospektion von Assur
Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Fassbinder (LMU München) hat die geophysikalische Prospektion von Assur wieder aufgenommen, die 1989 in Vorbereitung auf die 1990 unter der Leitung von Prof. Dr. Barthel Hrouda (LMU München / Bayerische Akademie der Wissenschaften) durchgeführten Ausgrabungen, die wegen des Ausbruchs des Ersten Golfkriegs vorzeitig beendet wurden, begonnen wurde. Die geophysikalischen Arbeiten wurden von Dr. Helmut Becker und Fassbinder (beide Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München) durchgeführt, die zwei Hektar im Wohngebiet von Assur mit Magnetometern untersuchten.
Im Februar 2023 setzte Fassbinder diese Arbeit fort, indem er mit Unterstützung von Jean-Jacques Herr, Lena Ruider und Marco Wolf ein gezieltes Programm von Magnetometer- und ERT-Prospektionen (Electrical Resistivity Tomography) startete.
Jörg Fassbinder und Marco Wolf während der Magnetometerprospektion, im Hintergrund (links) ist das Andrae-Haus zu sehen. Foto: Karen Radner