Alte Geschichte
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Eine Republik der Geheimnisse (Dr. H. Heitmann-Gordon)

Dieses Habilitationsprojekt setzt sich zum Ziel, die gesellschaftliche Produktivität von Geheimhaltung in der Kultur der ausgehenden römischen Republik zu untersuchen. Sind Geheimnis und Geheimhaltung in der Alten Geschichte bisher meist am Rande religionshistorischer, politischer und militärischer Fragestellungen untersucht worden, haben die Soziologie und Anthropologie schon seit der grundlegenden Arbeit von Georg Simmel Das Geheimnis: Eine sozialpsychologische Skizze (1907/8) auf die grundlegende Bedeutung dieser Wissensdynamik für das menschliche Zusammenleben und für kulturelle Entwicklungsprozesse hingewiesen.

Entsprechend wird Geheimhaltung hier nicht im Sinne psychologischer Innerlichkeit oder als Wesensmerkmal des Numinosen beleuchtet, sondern als Form der Kommunikation und des Framings von Informationen verstanden, wodurch sich das Projekt an gegenwärtige Forschungstrends zur Republik anschließt. Im Fokus steht, welche Spuren Akte der Verhüllung und Verschleierung von Informationen, sowie ihr Gegenteil, im schriftlichen Befund hinterlassen haben, welche Semantiken diesen Spuren in den Texten gegeben werden, und wie diese Bedeutungszuweisungen dazu beitragen, die Epistemologie der römischen Republik zu strukturieren und zu transformieren.

Da dem Geheimnis als sozialer Form eine Dialektik aus Ein- und Ausschluss zugrunde liegt, die im menschlichen Zusammenleben allgegenwärtig ist, müssen in der Analyse zwangsläufig Schwerpunkte gesetzt werden. Geheimhaltung als Kommunikation zu verstehen, impliziert, dass das Hauptaugenmerk auf widersprüchlichen Semantisierungen von markierten, oft nur zum Teil durchgeführten Querungen der Grenze zwischen den durch das Geheimnis etablierten Gruppen liegt, also zwischen Wissenden und an diesem Wissen Interessierten.

Solche Grenzüberschreitungen lassen sich etwa mittels der Medien bündeln, anhand derer sie historisch greifbar werden. So werden etwa die Semantisierung von Körper und Körpersprache als verräterisch durchsichtig oder undurchdringlich opak, sowie die Sprache der Geheimhaltung und die sprachlichen Mittel des Framings von Geheimnissen, etwa die verwendeten Adverbien und Adjektive, oder die Präsentation von Informationen als Gerücht, eine Rolle spielen. Davon ausgehend wird die Rolle der Geheimhaltung in Bezug auf Organisationsformen sozialer Koexistenz betrachtet werden. Semantisierungen etwa des Geldes, von Geschlechternormen, oder auch Raum und Zeitkonzeptionen, die allesamt Formen der Vereinfachung und Organisation des Lebens darstellen, stehen häufig in engem Zusammenhang mit Verhüllungs- und Enthüllungsprozessen. Die Nutzung von Ver- und Enthüllung zur Schaffung von Intimität und Nähe, und damit zugleich auch zur Markierung von Distanz und Differenz nach außen, deutet schon darauf hin, dass diese Dynamik auch politische Brisanz entfalten kann. Welche Grenzen werden durch die Mittel des Geheimnisses qua Kommunikation dem so prävalenten Öffentlichkeitsdiskurs im antiken Rom gesetzt? Wie werden andere Mitglieder der Bürgerschaft „gelesen“, was darf gewusst und ermittelt, was im Unterschied dazu wem wie gesagt werden? Diese etablierten Forschungsfragen sollen durch die Konzentration auf eine römisch-republikanische Epistemologie des Geheimnisses in anderem Licht erscheinen.

Kontakt

Dr. Henry Heitmann-Gordon

henry.heitmann-gordon@lrz.uni-muenchen.de