Alte Geschichte
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Die Finanzierung öffentlicher Bauten in der hellenistischen Polis (L. Meier)

Für die Existenz des griechischen Bürgerstaates, der Polis, bedeutete die hellenistische Epoche durch die Entstehung von neuen, wirtschaftlich und militärisch überlegenen Monarchien einen grundlegenden Wandel der politischen Rahmenbedingungen.  Dennoch konnten sich viele Poleis gegenüber den neuen Mächten erfolgreich behaupten und ihre Institutionen und Verfassungen erhalten, wie die jüngere Forschung deutlich zeigt. Darüber hinaus breitete sich die Polis als bürgerliche Organisationsform im gesamten östlichen Mittelmeerraum bis in das Zweistromland aus und erfreute sich zudem der Förderung durch hellenistische Könige. Der Hellenismus darf geradezu als eine Zeit ungebrochener Prosperität der Polis gelten. Dies zeigt sich im besonderen in Hinsicht auf die Architektur: In vielen Fällen bauten die Bürgergemeinden ihre städtischen Zentralorte aus und versahen sie mit aufwendigen und repräsentativen öffentlichen Bauten. Gebäude wie Säulenhallen, Theater, Heiligtümer, Gymnasien und Stadtmauern galten nun als unverzichtbare bauliche Merkmale einer Polis.

Während die Entwicklung des hellenistischen Städtebaus in jüngster Zeit zu einem zentralen Forschungsgegenstand der Klassischen Archäologie geworden ist, hat in der Alten Geschichte die Frage, wie der ‚Bauboom‘ dieser Zeit überhaupt finanziert werden konnte, bislang noch keine umfassende und ausführliche Bearbeitung erfahren. Dieser Aufgabe widmet sich mein Dissertationsvorhaben. In meiner Arbeit sollen sämtliche Zeugnisse zur Finanzierung von öffentlichen Bauten in  der hellenistischen Polis gesammelt und ausgewertet werden.  Neben wenigen literarischen Nachrichten sind dies vor allem griechischsprachige Inschriften aus dem östlichen Mittelmeerraum (Griechenland, Ägäisinseln und Kleinasien) und dem Schwarzmeergebiet, die zeitlich und räumlich weit verstreut und oft in einem sehr schlechten Erhaltungszustand sind. Vor dem Hintergrund bislang erzielter Forschungsergebnisse bieten sich hierbei folgende Themenkomplexe und Fragestellungen zur Untersuchung an:

  1. In welchem institutionellen Rahmen findet öffentliches Bauen in der hellenistischen Polis statt? Welche städtischen Magistrate sind für die Durchführung und Finanzierung von Baumaßnahmen zuständig, und welche Aussagen lassen sich etwa zu ihrer Verantwortlichkeit gegenüber anderen städtischen Institutionen wie Rat und Volksversammlung treffen?
  2. Aus welchen Quellen stammen die verwendeten finanziellen Mittel? Kann man bestimmen, wofür bestimmte Mittel im Ablauf eines Bauverfahrens eingesetzt werden? Wie wird der laufende Unterhalt von öffentlichen Bauten finanziert?
  3. Im welchem quantitativen und qualitativen Verhältnis stehen verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, etwa öffentliche Kassen, Steuern und Abgaben, öffentliche Anleihen, freiwillige Spendenaktionen, Stiftungen sowie Euergetismus, zueinander? Welche zeitlichen und regionalen Unterschiede sind dabei festzustellen und wie sind diese zu erklären?
  4. Privater und königlicher Euergetismus als eine Art der Baufinanzierung scheinen in unseren Inschriften überrepräsentiert zu sein, während ‚alltäglicher Geschäftsgang‘, etwa die Finanzierung öffentlicher Bauten aus regelmäßigen Einkünften der Städte, deutlich weniger in dauerhaftem Material überliefert ist. Es besteht daher die Gefahr, die Bedeutung des Euergetismus für die Baufinanzierung überzubewerten. Ist es auf der Grundlage einer vollständigen Materialsammlung möglich, dem ‚alltäglichen Geschäftsgang‘ der hellenistischen Polis weiter nachzuspüren?
  5. Die Untersuchung der Finanzierung von öffentlichen Bauten berührt damit unmittelbar aktuelle Forschungsdiskussionen zur politischen Verfassung der hellenistischen Polis – etwa die Frage, ob die hellenistische Zeit von einer Kontinuität demokratischer Stadtverfassungen geprägt gewesen sei oder ob ein Erstarken des Euergetismus im Laufe des 2. Jhs. v. Chr. zu einem ‚Honoratiorenregime‘ geführt habe. Lassen sich am Beispiel der Baufinanzierung tatsächlich Schwächen der öffentlichen Finanzpolitik feststellen, die es ermöglichten, daß sich ein ‚Honoratiorenregime‘ etablieren konnte? Oder zeigt eine Studie zur öffentlichen Baufinanzierung, daß auch von dieser Seite Zweifel an der These einer Honoratiorenherrschaft in der hellenistischen Polis anzubringen sind?

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Dr. Ludwig Meier
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