Alte Geschichte
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Wasserleitungen im römischen Kleinasien (S. Kerschbaum)

Betreuer: Prof. Dr. Christof Schuler, Prof. Dr. Zimmermann

 

„Wenn also jemand den Wasserreichtum, welcher der Öffentlichkeit zur Verfügung steht und in den Bädern, künstlichen Teichen und Wassergräben, in den Wohnhäusern, Gärten und Vorstadtvillen anzutreffen ist, sowie die Streckenabschnitte, auf denen das Wasser in die Stadt kommt, die hoch aufgebauten Brückenbögen, die von Tunneln durchschnittenen Berge und die gleichmäßig überbrückten Talkessel noch eingehender beurteilt, dann wird er gestehen, dass es auf der ganzen Welt nichts gegeben hat, was eine größere Bewunderung verdient.“ Voller Begeisterung schwärmt Plinius seiner Naturalis Historia von etwas, das für uns heute selbstverständlich erscheint: Von einer geregelten Wasserversorgung, die nicht nur die Bereitstellung von Trinkwasser umfasst, sondern auch die Versorgung privater Wohnhäuser und öffentlicher Thermen. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Wasserversorgung der römischen Städte, so wirkt der Umgang mit Wasser dort geradezu verschwenderisch. Manche Hochrechnung ergibt für die Hauptstadt Rom das unglaubliche Wasserdargebot von 1000 Litern pro Kopf und Tag – ermöglicht durch 11 gleichzeitig operierende Fernwasserleitungen mit einer Gesamtlänge von über 600 Kilometern. Selbst wenn neuere Zahlen ´dies etwas revidieren, bleibt es dennoch ein gigantisches Wasserversorgungssystem. Aber wer profitierte davon? Konnte jeder, der wollte, seinen täglichen Wasserbedarf kostenfrei und mühelos decken?
Diese und ähnliche Fragen versucht dieses Projekt anhand der zahlreichen Wasserbauinschriften des kaiserzeitlichen Kleinasiens zu beantworten. Die Region eignet sich nicht nur aufgrund ihrer hydrogeologischen Vielfalt als Untersuchungsgebiet, sondern besonders deshalb, weil sich dort Poleis mit bereits archaischen und klassischen Wasserbauten befinden. Es lässt sich also sehr spezifisch analysieren, welche Akteure und Faktoren die flächendeckende Ausbreitung der Fernwasserleitungen erst in römischer Zeit ermöglichen. Insgesamt konzentriert sich dieses Projekt vor allem auf folgende Leitfragen: Weshalb gelang es gerade der römischen Gesellschaft, den Bautypus der Fernwasserleitung flächendeckend zu verbreiten? Ist Kleinasien dabei als Sonderfall anzusprechen? Welche technischen, soziokulturellen, juristischen und topographischen Innovationen generierte oder benötigte der Bau der Fernwasserleitungen? Dabei sollen als entscheidende Akteure der Kaiser und die Statthalter, die Städte und ihre Bürger im Fokus stehen. Ihre unterschiedlich gearteten Motivationen – seien es nun Herrschaftslegitimation, die Demonstration von Gemeinsinn oder einfach nur die Bewässerung des eigenen Gartens – sind als der Schlüssel-Faktor bei der Verbreitung von Fernwasserleitungen auszumachen. Deren Existenz ermöglichte tiefgreifenden Wandel: Funktionierende Fernwasserleitungen bildeten etwa das Rückgrat bei der Verbreitung von großen Thermenanlagen; sie entwickelten sich zum Symbol für römische Zivilisation, gehörten sie doch zu den teuersten und anspruchsvollsten Großprojekten ihrer Zeit. Und sie erzeugten einen gesellschaftlichen Diskurs, der Wasser in vielen literarischen Formen als Standortvorteil, Luxusgut und selbstverständlichen Gebrauchsgegenstand ansprach.

Kontakt

Saskia Kerschbaum, M.A.
Saskia.Kerschbaum@campus.lmu.de