Alte Geschichte
print

Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Patchworkfamilien in der Spätantike (M. Schnizlein)

Als die Fürther Landrätin Gabriele Pauli im September 2007 die „Ehe auf Zeit“ als eine Komponente ihres Wahlprogramms vorstellte, stieß sie damit insbesondere bei der katholischen Kirche auf vehemente Ablehnung. Diese sprach von einer „Zerredung der Institution Ehe.“ Die Themen „Ehe“ und „Familie“ gehören zu den Urthemen der christlichen Religion. Die Fürsorgepflicht für Kinder sowie das Desiderat einer lebenslangen Familienzusammengehörigkeit sind Werte, die bereits das Neue Testament vermittelt. Mit der allmählichen Etablierung des Christentums bis hin zur Staatsreligion im Verlauf der ersten sechs nachchristlichen Jahrhunderte flossen eben jene Familienwerte in Form von Predigten, Bibelkommentaren und Synoden in die Welt des Römischen Reiches ein.

Die Dissertation „Patchworkfamilien in der Spätantike“ möchte jenen Prozess der Transformation familiärer Werte in der römischen Welt sichtbar machen und hierbei sowohl Entstehungshintergründe christlicher Wertvorstellungen aufzeigen, als auch auf deren Konstanten über die „Epoche“ der Spätantike hinweg aufmerksam machen. Das Familienmodell „Stieffamilie“ repräsentiert hierbei aus diversen Gründen eine geeignete Projektionsfläche zur Darstellung des Wertewandelprozesses. Ein demographischer Blickwinkel auf die Gesellschaft des römischen Reiches erkennt die Stieffamilie als häufig anzunehmende soziale Realität. Zum anderen knüpft die Beschäftigung mit dem Themenkomplex „Stieffamilie“ an zahlreiche Aspekte des gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Lebens an, die im Rahmen des Dissertationsprojekts in einem abgerundeten Bild in Zusammenhang gebracht werden sollen. Fragen nach Verwitwung, Scheidung und Wiederverheiratung müssen ebenso aus einer rechtlichen wie emotionspsychologischen Perspektive geklärt werden. Erbrechtliche Fragen spielen sowohl im rein juristischen Sinne eine Rolle wie auch als ein Feld, das möglicherweise durch das Christentum und sein Familienbild mitgeprägt wurde. Nicht zuletzt sind Erb-Angelegenheiten maßgeblich mitbestimmend für das affektive Zusammenleben einzelner Stieffamilien-Mitglieder.

Darüber hinaus soll nach Entstehungshintergründen des familienbezogenen christlichen Wertesystems gefragt und nach Vorläufern im jüdischen Familienrecht gesucht werden. Die Frage nach Konstanz christlicher (Stief-)familienvorstellungen bietet für den Bereich der Spätantike zudem räumliche Anknüpfungspunkte über das Territorium des Römischen Reiches hinaus. Im erweiterten Focus des Dissertationsprojekts soll die Adaption römischer und christlicher (Stief-)familienbilder im germanischen Raum stehen.

Kontakt

Dr. des. Moritz Schnizlein
E-Mail schicken an moschnizlein@web.de E-Mail