Royal Inscriptions of Assyria (RIA)
Ein Bronzeschwert aus Assur (MMA 86.11.166.1) mit einem Eigentumsvermerk des mittelassyrischen Königs Adad-nerari I. (1295–1264 v. Chr.). Der Text erinnert an die Feldzüge des Königs und an seinen Bau des „Neuen Palasts“.
Zwischen 1987 und 1996 wurden 866 Inschriften der ersten 107 Herrscher von Assyrien von A. Kirk Grayson in drei Bänden der Assyrian Periods-Unterserie der an der University of Toronto erarbeiteten und von der University of Toronto Press veröffentlichten Reihe Royal Inscriptions of Mesopotamia (RIM) in wegweisenden Editionen publiziert: Assyrian Rulers of the Third and Second Millennia BC (to 1115 BC) (1987), Assyrian Rulers of the Early First Millennium BC I (1114–859 BC) (1991) und Assyrian Rulers of the Early First Millennium BC II (858–745 BC) (1996) (= RIMA 1–3). Inzwischen hat sich jedoch die Notwendigkeit ergeben, diese wichtige Gruppe assyrischer Texte in aktualisierter Form neu zu edieren und dabei auch all jene Inschriften mit aufzunehmen, die in den drei Jahrzehnten seit der Publikation der RIMA-Bände zusätzlich bekannt geworden sind.
In diesem neuen Publikationsvorhaben soll eine Edition des gesamten Korpus der akkadischen Inschriften der assyrischen Herrscher von späten dritten Jahrtausend v. Chr. bis zur Herrschaft von Aššur-nerari V. (754–745 v. Chr.) vorgelegt werden. Im Wesentlichen wird die Publikation dieser neuen Serie Royal Inscriptions of Assyria (RIA) als zweite Edition der oben genannten Bände von Grayson dienen. Dem Vorbild der Serien Royal Inscriptions of the Neo-Assyrian Period (RINAP) und Royal Inscriptions of the Neo-Babylonian Empire (RINBE) folgend, wird die geplante sechsbändige Reihe folgendes umfassen:
- ausführliche Einleitungen mit Informationen über den historischen und den geographischen Hintergrund der Texte sowie eine Diskussion der Materialien, welche die Inschriften tragen, und einen Überblick über die Forschungsgeschichte zu den einzelnen Texten;
- Abbildungen in Form von Fotos (insbesondere der beschrifteten Objekte) und von Zeichnungen (wie z.B. Karten und kommentierte Pläne der Fundorte);
- komplette Indizes der Namen von Personen, Orten, Gottheiten und Tempeln.
Eine Steintafel aus Assur (VA 8832; Ass 19735) mit einer 126-zeiligen Inschrift des mittelassyrischen Königs Tukulti-Ninurta I. (1233–1197 v. Chr.).
Den Prinzipien der Editionen von RINAP und RINBE folgend, wird in den geplanten Bänden der Serie RIA jede einzelne Inschrift separat und in vollständiger Länge ediert werden. Insbesondere für die Inschriften des mittelassyrischen Königs Adad-nerari I. (1295–1264 v. Chr.) ist dies von großer Bedeutung, da dieses Korpus noch nie vollständig ediert worden ist. Bei der Edition seiner Inschriften in RIMA 1 (S. 128–179) wurden die Segmente Einleitung, Hauptteil, Baubericht und Schlussformel der wichtigsten Inschriften von Adad-nerari I. zu einem Komposittext zusammengeführt, wodurch die Anzahl an einzelnen Inschriften und deren jeweiliger genauer Inhalt nicht mehr nachvollziehbar ist.
Eine Steintafel von Tukulti-Ninurta I. aus Assur, die sich jetzt in der Morgan Library & Museum (New York City) befindet.
Um den Zugang zu den neu zu edierenden Inschriften insbesondere auch für Fachfremde und Studierende zu erleichtern, wird die Anordnung der Texte jedes einzelnen Herrschers dem Vorbild von RINAP folgend überarbeitet werden, wobei die Texte nach Fundort und Schriftträger (z.B. Ton, Stein, Metall) gruppiert werden. Soweit wie möglich sollen die Inschriften der einzelnen Herrscher dabei chronologisch (von der frühesten zur spätesten) angeordnet werden. Die einleitenden Texte sowie die Kommentare werden für RIA vollständig neu verfasst, und auch die Bibliographie der einzelnen Texte wird erweitert und wenn nötig aktualisiert werden. Gleiches gilt für den Katalog der bekannten Vertreter der oft in mehreren Exemplaren vorliegenden Inschriften, welcher ergänzt wird, wenn neue Exemplare einer Inschrift bekannt geworden und/oder neue Informationen zum archäologischen Kontext einzelner beschrifteter Objekte verfügbar geworden sind.
Ein in-situ-Foto mehrerer Inschriften der mittelassyrischen Könige Adad-nerari I. (1295–1264 v. Chr.) und Tukulti-Ninurta I. (1233–1197 v. Chr.), die in den Ruinen des Ištartempels von Assur gefunden wurden (Assur-Grabungsfoto Nr. 6666).
Auch die Transliterationen und die Übersetzungen werden, soweit nötig, überarbeitet werden. Die Autoren werden dabei insbesondere die Übersetzungen der Editionspraxis von RINAP und RINBE anpassen. Dies wird zum einen die Bedeutungen betreffen, die einigen Worten zugeordnet wurden, welche in jenen Bänden des Chicago Assyrian Dictionary (CAD) verzeichnet sind, die erst nach der Publikation von RIMA 1–3 erschienen sind. Zum anderen wird die Überarbeitung auch einen besonderen Fokus auf Personennamen und geographische Bezeichnungen legen, welche entsprechend den Referenzwerken The Prosopography of the Neo-Assyrian Empire (PNA; 1998–2011) und Répertoire Géographique des Textes Cunéiformes (insbesondere A.M. Bagg, Die Orts- und Gewässernamen der neuassyrischen Zeit [2007–20]) angepasst und vereinheitlicht werden. Während in den Bänden der RIM-Serie lange Textpassagen in einem Block übersetzt wurden, werden diese Textblöcke in RIA in kleinere Einheiten aufgebrochen werden, um es insbesondere Fachfremden und Studierenden zu erleichtern, den akkadischen Text mit den Übersetzungen zu korrelieren. Darüber hinaus wird die Neuedition detailliertere Anmerkungen enthalten als ihre RIMA-Vorgängerin, wo nur kleinere (orthographische) Varianten in begrenztem Umfang notiert wurden.
Das RIA-Projekt ist Teil der Munich Open-access Cuneiform Corpus Initiative (MOCCI) und zugleich direktes Nachfolgevorhaben der Projekte Royal Inscriptions of Mesopotamia (RIM), von 1980 bis 2008 an der University of Toronto beheimatet, und Royal Inscriptions of the Neo-Assyrian Period (RINAP), das seit 2008 an der University of Pennsylvania läuft. Obwohl der größte Teil der Inhalte von RIA seit August 2015 über die Open-Access Webseite Royal Inscriptions of Assyria online (RIAo) verfügbar ist, nahmen die Pläne zu einer neuen Druckpublikation erst im Juni 2022 formal Gestalt an, nachdem Karen Radner im Mai den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten hatte und sie zusammen mit ihrem Co-Direktor Grant Frame (University of Pennsylvania) die Redaktionsleitung, das Team der Berater und die Gruppe der Autoren bestimmten.
In den kommenden zehn Jahren wird das RIA-Team eine vollständige und verbindliche moderne Edition des gesamten Korpus der assyrischen Königsinschriften aller 107 Herrscher Assyriens von den Anfängen bis zum Jahr 745 v. Chr. sowohl in Form von sechs gedruckten Bänden als auch in einem digitalen, vollständig linguistisch annotierten Open-Access-Format vorlegen. Darüber hinaus werden zu allen Texten die Basisdaten sowie umfangreiche Kontextualisierungen, Metadaten und Links zu externen Ressourcen zur freien Verfügung online angeboten werden. Dieses Open-Access-Angebot, das bereits jetzt auf der Seite des Open Richly Annotated Cuneiform Corpus (Oracc) angelegt ist, umfasst folgende Bereiche:
- einen Katalog, der nach Museumsnummer, Grabungsnummer, Erstpublikation etc. durchsuchbar ist;
- durchsuchbare Texteditionen mit englischer Übersetzung;
- eine exportierbare JavaScript Object Notation und eine TEI-Version des Korpus;
- akkadische Glossare und verschiedene Namensindizes (u.a. Götter, Personen, Orte);
- eine Suchfunktion, mit der die Texte sowohl in der Transliteration als auch in der Übersetzung durchsucht werden können;
- ein Glossar, welches eine geleitete Suche ermöglicht und eine Konkordanz aller Belege für jedes einzelne Wort bietet;
- eine Einleitung mit Informationen zum historischen Hintergrund und zu anderen Bereichen.
Steinstelen der früh-neuassyrischen Könige Assurnasirpal II. (BM 118883, links), Salmanassar III. (BM 118884, Mitte) und Šamši-Adad V. (BM 115020, rechts).
Als Teil der Munich Open-access Cuneiform Corpus Initiative (MOCCI) ist RIA seit dessen Gründung im Jahr 2015 sowohl vollständig in MOCCI integriert als auch in Oracc, der Cuneiform Digital Library Initiative (CDLI), und im Web-Interface Ancient Records of Middle Eastern Polities (ARMEP), einem Web-basierten Recherche-Werkzeug, das an der LMU-München entwickelt wurde. Das Online-Angebot wird von Dr. Jamie Novotny und Dr. Frauke Weiershäuser verwaltet. Die Druckfassung wird von Eisenbrauns, zur Penn State University Press gehörig, erstellt werden und im gleichen Format wie die RINAP- und die RINBE-Publikationen erscheinen, jedoch mit einem bedeutenden Zusatz: das Golden-Standard-Open-Access-Publishing wird die kostenfreie Bereitstellung der Publikation im PDF-Format ohne eine Sperrfrist zeitgleich mit der Druckpublikation ermöglichen.
Geplante Publikationen
Zusätzlich zu der auf Oracc basierenden Open-Access-Webseite Royal Inscriptions of Assyria online (RIAo), welche seit Juli 2022 bereits die linguistische annotierten, retro-digitalisierten Editionen der 866 in den Bänden RIMA 1–3 publizierten Inschriften beinhaltet, wird das RIA-Team sechs Bände (und die jeweiligen Open-Access-PDF-Versionen) produzieren und damit verlässliche Editionen dieser bedeutsamen Textgruppe frei für Wissenschaftler, Studierende, Museumspersonal und interessierte Laien zur Verfügung stellen. Folgende Bände sind in Planung:
- A. Kirk Grayson and Jamie Novotny, The Royal Inscriptions of Assyria, Part 1: From the Origins of Assyria to Arik-dīn-ili (to 1306 BC).
- A. Kirk Grayson and Poppy Tushingham (with contributions by Jamie Novotny), The Royal Inscriptions of Assyria, Part 2: From Adad-nārārī I to Aššur-rēša-iši I (1305–1115 BC).
- A. Kirk Grayson and Jana Richter (with contributions by Jamie Novotny), The Royal Inscriptions of Assyria, Part 3: From Tiglath-pileser I to Tukultī-Ninurta II (1114–884 BC).
- A. Kirk Grayson and J. Caleb Howard (with the editorial assistance of Jamie Novotny), The Royal Inscriptions of Assyria, Part 4: Ashurnasirpal II (883–859 BC).
- A. Kirk Grayson and J. Caleb Howard (with the editorial assistance of Jamie Novotny), The Royal Inscriptions of Assyria, Part 5: Shalmaneser III and His Successors (858–745 BC).
- Jamie Novotny, Indices, Corrections, and Additions (vorläufiger Titel).
RIA-Herausgeber
• Karen Radner (Ludwig-Maximilians-Universität München; Kodirektorin)
• Grant Frame (University of Pennsylvania; Kodirektor)
• Jamie Novotny (Ludwig-Maximilians-Universität München; Chefredakteur)
• Anmar Abdulillah Fadhil (University of Baghdad)
• Eckart Frahm (Yale University)
• Barbara Helwing (Vorderasiatisches Museum)
• Jon Taylor (British Museum)
• Ariane Thomas (Louvre Museum)
Redaktionsausschuss und Autoren. Von links nach rechts, Radner, Frame, Novotny, Weiershäuser, Fadhil, und Howard.
RIA-Berater
• A. Kirk Grayson (Professor Emeritus University of Toronto)
• Helen Gries (Vorderasiatisches Museum
• Steve Tinney (University of Pennsylvania)
RIA-Team (Autoren)
• Kirk Grayson (Professor Emeritus University of Toronto)
• J. Caleb Howard (Cambridge University; Tyndale House)
• Jamie Novotny (Ludwig-Maximilians-Universität München)
• Jana Richter (Ludwig-Maximilians-Universität München)
• Poppy Tushingham (Ludwig-Maximilians-Universität München)
Förderung
RIA wird gefördert durch
- die Alexander von Humboldt Stiftung (durch die Einrichtung des Lehrstuhl für die Alte Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens im Jahr 2015; bis 2020) und
- Ludwig-Maximilians-Universität München, insbesondere durch die Cambridge LMU Strategic Partnership (ab 2019); und
- die Deutsche Forschungsgemeinschaft (durch die Verleihung eines Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises im Jahr 2022)