Alte Geschichte
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Administrative Räume der römischen Reichsverwaltung (R. Färber)

Promotionsvorhaben zu Handlungsorten der römischen Verwaltung

Zielsetzung

Das Forschungsvorhaben setzt bei der allgemeinen Feststellung an, dass sich Administration als Teil der Herrschaftspraxis im Raum vollzieht, an bestimmten Orten erfahrbar wird und – wie in den Gesellschaften der Gegenwart – eine differenzierte bauliche Infrastruktur ausbilden kann.

Die jüngere Forschung erbrachte den Nachweis, dass sich die Herrschaft Roms im Laufe der Kaiserzeit zunehmend auf professionelles Verwaltungspersonal stützte, in ihrer praktischen Arbeit bürokratische Strukturen ausbildete, sich spezialisierte, formalisierte und verselbständigte. Diese Entwicklungen werden im Hinblick auf Personal und Schriftverkehr inzwischen sehr eingehend erforscht. Die architektonisch-materielle Ausprägung der römischen Administration, ihre Handlungsorte, Amtsgebäude und Arbeitsräume, deren Gestalt, Nutzung und Wahrnehmung im Wandel der Zeit, sind dagegen noch nicht systematisch untersucht worden. Dabei gilt es grundsätzlich zu unterscheiden zwischen solchen Lokalitäten, die primär anderen Zwecken gewidmet, also nur punktuell und in zweiter Linie Schauplatz von Amtshandlungen waren (bspw. Forum), und Orten, die ganz speziell für Verwaltungszwecke errichtet und/oder eingerichtet wurden (bspw. Schreibstube). Beides umfasst der Begriff „Administrative Räume“.

Will man diesem Sachverhalt nachspüren, ist es unumgänglich, sich vorab auch des zeit- und gesellschaftsspezifischen Charakters von Administration zu vergewissern. Da es im römischen Kaiserreich keine Gewaltenteilung gab und sich Rechtspflege und Gesetzgebung nicht von der eigentlichen exekutiven Verwaltung trennen lassen, stehen die Begriffe „Administration“ und „Verwaltung“ für die Herrschaftsausübung in ihrer Gesamtheit. Das Projekt widmet sich speziell der römischen Reichsverwaltung, das heißt der von der „Zentrale“ gesteuerten „Verwaltung von oben“. Demgegenüber werden die Räume und Handlungsorte der lokalen Selbstverwaltung der Städte, Gemeinden und sonstigen Körperschaften keine Rolle spielen. Den zeitlichen Rahmen bildet die römische Kaiserzeit, mit Ausblicken in die Spätantike.

Fragestellung

Im Mittelpunkt steht die Frage nach der chronologischen Entwicklung der „administrativen Räume“; denn die architektonische Ausprägung von Administration kann als Gradmesser für die Bürokratisierung einer Verwaltung dienen. Für welche Verwaltungszwecke entstanden zu welchem Zeitpunkt in welchen Anlagen separate Räumlichkeiten? Welche Funktionen wurden dagegen weiterhin lange Zeit im allgemein zugänglichen öffentlichen Raum ausgeübt? Inwieweit spiegelt sich in Ortswahl und Architektur auch der Wandel des römischen Herrschaftsverständnisses wider? Von großem Interesse ist im Weiteren die bauliche und materielle Ausstattung. Wie waren die speziell administrativen Zwecken zugeordneten Räume im Innern gestaltet und welchen Tätigkeiten wurde dort nachgegangen? Lassen sich zweckorientierte bauliche Muster erkennen? Inwieweit wurden die zugehörigen Gebäude in ihrem administrativen Charakter wahrgenommen? Wie ausgeprägt war ihre symbolische Valenz als Sitz römischer Herrschaftsträger? Ein drittes Fragenbündel zielt auf die Lage der Gebäude bzw. Räumlichkeiten und ihren Bezug zur Umgebung. Welchen Platz im Siedlungs- oder Landschaftsgefüge nahmen sie ein? Wie war der Zugang geregelt? Gab es fließende Übergänge von administrativen Räumen zu Räumen mit privater, wirtschaftlicher oder kultischer Funktion? Schließlich bietet sich ein epochen- und kulturübergreifender Vergleich an – immerhin war die Ausbildung fester, der Verwaltung dienlicher Räume für vormoderne Gesellschaften keine Selbstverständlichkeit. Mit diesem Fragenkatalog sucht das Projekt die Entwicklung der administrativen Räume nicht nur als verwaltungsgeschichtliches Phänomen zu erfassen, sondern auch ihre kulturhistorische Dimension (Umgebung, Symbolgehalt, Wahrnehmung) zu ergründen.

Methode

Die Beantwortung all dieser Fragen erfordert eine möglichst breite Quellengrundlage. Während bisher immer nur im Zusammenhang mit einzelnen archäologischen Befunden etwa darüber diskutiert wurde, wie eine Benefiziarierstation aussah, welche Räumlichkeiten eines Kaiserpalastes oder eines Statthalterprätoriums etc. administrativen Zwecken gedient haben könnten, sollen im Rahmen dieses Forschungsvorhabens solche Einzelbefunde und -interpretationen erstmals komplett erfasst und kritisch gesichtet werden. Einen methodisch zuverlässigen Ausgangspunkt bieten jene Fälle, in denen die Funktion eines bestimmten Raumes durch Inschriftenfunde recht konkret festzumachen ist (wie z.B. die Räume für officiales in den praetoria von Apulum und Caesarea Maritima). Einen weiteren Zugang stellen die in literarischen, papyrologischen und epigraphischen Quellen enthaltenen Hinweise auf entsprechende Bauten und ihre Charakteristika dar, die das Projekt ebenfalls erstmals umfassend aufarbeiten will. Bisweilen gehen sie über die bloße Nennung eines Schauplatzes, Amtsgebäudes oder -zimmers hinaus und geben nähere Auskunft über deren Nutzung und Gestalt. In manchen Fällen können Schriftzeugnisse sogar mit konkreten archäologischen Befunden zusammengeführt werden. Solche Idealfälle ermöglichen es, den kalten Mauern Namen zu geben oder ihnen gar administratives Leben einzuhauchen.

Das Projekt ist Bestandteil des DAI-Forschungsclusters 3 „Politische Räume“ und diskutiert in diesem Rahmen ein zentrales Beispiel für den nichtstatischen Charakter von Herrschaftsorten, in denen sich das Verständnis von Herrschaft in seinem Wandel manifestiert.

Kontakt

Mag. phil. Roland Färber
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
Amalienstr. 73 b, 80799 München
Tel.: +49-(0)89 286767-74
Fax: +49-(0)89-286767-80
E-Mail schicken an faerber@aek.dainst.de E-Mail